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January 20, 2021 Leave your thoughts

Wie ähnlich bist du deinen Freunden?

Diana Weißleder

Wie ähnlich bist du deinen Freunden? Habt ihr ähnliche Interessen? Hört die gleiche Musik? Wenn ja, wäre das ein gutes Beispiel für das Phänomen der Homophilie. Sie besagt, dass Menschen, die sich ähnlich sind, eher Freundschaften eingehen als diese, die sich nicht ähnlich sind. Wie weit das gehen kann, sieht man in einer Studie von Parkinson, Kleinbaum und Wheatley (2018). Die Ergebnisse dieser Studie haben gezeigt, dass man umso ähnlichere Gehirnaktivität beim Schauen von Videos hat, je näher die soziale Bindung zueinander ist.

Woher kommen diese Ähnlichkeiten? Ein Teil der Aktivität wurde in Gehirnarealen gefunden, die an Aufmerksamkeit beteiligt sind.

Was also, wenn Teile der ähnlichen Gehirnaktivität mit Merkmalen der Aufmerksamkeit zu erklären sind? Oder noch weiter gedacht, könnte es möglich sein, dass ähnliche Gehirnaktivität dadurch verursacht wird, dass Freunde die Welt ähnlich wahrnehmen und die gleichen Dinge betrachten?

Wie aber findet man heraus, wie man die Welt betrachtet? Studien zeigen auf, dass unser Blickverhalten individuell sehr unterschiedlich ist. Eine Studie von de Haas et al. (2019) zeigte zusätzlich, dass diese Unterschiede auch zeitlich stabil sind. Man könnte also unser Blickverhalten als eine persönliche Eigenschaft ansehen, die möglicherweise auch unter das Prinzip der Homophilie fällt.

Was haben wir gemacht?

Wir haben das Blickverhalten von 17 Freundespaaren untersucht, die 700 komplexe Szenen frei betrachteten. Speziell haben wir untersucht, wie oft und wie lange die Personen die semantischen Inhalte Text, Gesichter und Berührung fixiert haben (Abb.1). Diese Ergebnisse wurden zwischen Freunden und nicht befreundeten Personen verglichen. Die Qualität der Freundschaft wurde geschätzt, indem jede Versuchsperson einen kurzen Persönlichkeitstest (NEO-FFI) über sich und stellvertretend für die befreundete Person ausgefüllt hat. Unsere Annahme ist, dass die Differenz der stellvertretenden und der Eigenaussage umso geringer ist, umso enger die Versuchspersonen befreundet sind.

Abb. 1: Beispielbilder für die semantischen Inhalte Text (linkes Bild), Gesichter und Berührung (mittleres und rechts Bild).

Was kam heraus?

Der Vergleich der Differenzen im Blickverhalten ergab keinen Hinweis auf ähnlicheres Blickverhalten zwischen Freunden. Die grauen Histogramme in Abbildung 2 zeigen die Unterschiede in der Neigung, die jeweiligen Bildelemente zu betrachten, für zufällig gepaarte Personen. Die grünen Histogramme zeigen die Verteilung der Unterschiede in der Neigung, die jeweils erste Blickbewegung auf diese Bildelemente zu lenken. Wie stark unterschieden Freunde sich im Vergleich zu diesen Zufallsverteilungen? Die schwarzen Striche zeigen jeweils den Mittelwert der Differenzen der befreundeten Personen. In unserer Stichprobe unterschieden sich die Differenzen der Freunde entweder kaum oder nur gering von denen, die zufällig generiert wurden. Bei dem semantischen Inhalt „Text“ war die Differenz der ersten Fixation sogar etwas höher als die der zufällig generierten. Bei dem Inhalt „Berührung“ erkennt man etwas weniger Differenz in der ersten Fixation, aber diese Tendenz war nicht statistisch signifikant.

Abb. 2: Ergebnisse des Permutationstests für die Differenzen der Freundespaare und der zufällig gepaarten Probanden in Bezug auf anteilige Dauer der Fixation und erste Fixation für die semantischen Inhalte Text, Gesichter und Berührung.

Dieser Befund lässt verschiedene Schlüsse zu. Es könnte sein, dass es den gesuchten Effekt nicht gibt. Vielleicht wurde die Ähnlichkeit in der Gehirnaktivität in der Studie von Parkinson et al. dadurch hervorgerufen, dass die befreundeten Personen emotional ähnlich angesprochen wurden und hat nichts mit Blickverhalten zu tun. Mit wem wir uns befreunden und wo wir hinschauen hätten dann nichts miteinander zu tun. Es könnte Vorteile haben, soziale Bindungen mit Menschen einzugehen, die die Umwelt nicht so wahrnehmen wie wir selbst.

Diese Ergebnisse müssen aber nicht bedeuten, dass es den getesteten Effekt nicht gibt. Berechnungen bezüglich des Persönlichkeitstests zeigten, dass die Einschätzung der befreundeten Versuchspersonen ungefähr die Hälfte der tatsächlich gekreuzten Antworten vorhersagen konnten. Es sah also so aus, als konnten Freunde sich im Schnitt tatsächlich sehr gut einschätzen. Allerdings galt die Genauigkeit dieser Vorhersagen nicht nur, wenn sie auf den Freund bezogen wurden, für den sie tatsächlich abgegeben wurden, sondern fast genauso, wenn man sie willkürlich auf andere Versuchspersonen bezog. Die Versuchspersonen hatten schlicht eine sehr ähnliche Art, den Fragebogen zu beantworten. Dies könnte daran liegen, dass die Mehrheit der Versuchspersonen Psychologiestudierende waren und sich dementsprechend ähnlich waren, oder den vorliegenden Persönlichkeitstest möglicherweise schon kannten. Man könnte also den Effekt ein weiteres Mal in einer heterogeneren und größeren Stichprobe testen. Es wäre denkbar, dass in der vorliegenden Stichprobe viele Menschen untereinander befreundet waren, ohne dass diese Verbindung offiziell erhoben wurde. Eine Anfertigung eines kompletten Soziogramms wie Parkinson et al. es benutzten, wäre eine Alternative, bei der alle sozialen Bindungen erhoben würden.

Eine andere Option wäre, dass Freunde sich in Aspekten des Blickverhaltens ähneln, die wir hier nicht berücksichtigt hatten. In Folgeuntersuchungen will unsere Arbeitsgruppe die Anzahl der Sakkaden untersuchen und die Tendenz, emotionale Bildinhalte zu betrachten.

In diesem Zusammenhang wäre es interessant, die Studie mit emotionaleren Stimuli zu wiederholen. Vielleicht ist ein höheres emotionales Arousal notwendig, um gewisse Ähnlichkeiten innerhalb einer Freundschaft aufzudecken.

Die Hypothese, dass Blickverhalten von befreundeten Probanden ähnlicher ist als das zufällig gepaarter Probanden, konnte nicht bestätigt werden. Allerdings sind die Ergebnisse nicht dazu geeignet, einen derartigen Effekt komplett zu widerlegen. Es gibt, wie oben aufgeführt, einige Hypothesen, die noch zu testen wären. Am wichtigsten ist hierbei jedoch, dass unsere Methoden zur Messung von Freundschaft nicht für die sehr homogene Stichprobe geeignet war.

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